Es gibt an unseren Alltagen zu Hause eine schöne Ferientradition. Unser Herr Fahrtenschreiber ist während der Woche beruflich meist so eingespannt, dass wir ihn oft einige Tage nicht sehen. Die Kinder kriechen dann ins große Bett, Vorhänge zu, Nachttischlampen angeknipst und genussvoll schnappt sich jeder und jede ein Buch. Wir lieben es!
Gestern war wieder mal so ein Genuss-Ferien-Lese-Abend. Als ich eben ansetzte, die erste Seite meines Genuss-Ferien-Lese-Krimis "Der Mann, der kein Mörder war" umzublättern -was für ein Buch! Ein Volltreffer und meine Sommerurlaubskrimiempfehlung schlechthin. Aber bevor ich mich verzettle, vom Hölzchen aufs Stöckchen komme und vollkommen vom Thema abschweife, zurück zu unserem Genuss-Ferien-Lese-Abend- also, als ich mich eben dem kriminalistischen Finale entgegenlese und umblättere, höre ich unsere reizende Tochter: "Mama?" Hm? "Du, Mama?" Hmm, ja? "Mama, da ist ein Vieh. Ein ziemlich großes!"
Bevor ich mir weitere Gedanken um das große Vieh in unserem Bett machen kann, habe ich es auch schon gesehen. Unsere Tochter starrt ungläubig auf ein ausgewachsenens Exemplar einer Kleidermotte, das sich unter einem Kissen niedergelassen hat. Nachdem ich das Tier in einem Schraubdeckelglas dingfest gemacht habe, mache ich mich an eine umfangreiche nächtliche Internet-Recherche und kann zweifelsfrei sagen, es handelt sich um eine Motte. Vermutlich eine weibliche. Wie eklig ist das denn? Ausgerechnet das olle, uralte Schmusekissen des kleinen Helden belagert das Vieh. Das Kissen verbringt die Nacht in der Badewanne und von seiner Umwelt durch eine Plastiktüte hermetisch abgeriegelt.
Ich hoffe auf die ersten Sonnenstrahlen und darauf, dass der Drogeriemarkt hausfrauenfreundlich frühst öffnet. Ich zähle an diesem Tag zu den ersten Kundinnen. Auf dem Band liegen vier Pheromon-Fallen, die die männlichen Vertreter der Ekel-Spezies anlocken sollen und mir einen Überblick zum Grad des Befalls geben werden, mehrere Packungen geruchsneutrales Mottenpapier, die chemische Keule, die ich in Schränke und Kästen deponiere. Und fürs biologische Gewissen Lavendelsäckchen. "Ob das alles wäre?", meint der grinsende Kassierer an der Kasse und ich reiche ihm 30 Euro, die hoffentlich gut investiert sind.
Der Rest des Tages vergeht mit Saugen auf, unter, vor und hinter den Matratzen und jedem sonst noch denkbaren Winkel, Mottenpapier auslegen, Bettwäsche samt Inlett waschen, Mottenpapier auslegen, Schränke entrümpeln und putzen, Mottenpapier auslegen, Betten in die Sonne legen (ein Glück, wenigstens der Wettergott hat Einsicht mit meiner misslichen Situation) und schließlich lege ich noch einige Blättchen Mottenpapier aus und installiere die Pheromon-Fallen. Auf weitere Spuren der Viecher oder Kollegen des Exemplars im Schraubglas stosse ich nicht. Am späten Nachmittag ist unser Schlafzimmer keimfrei. Vermutlich könnte man bedenkenlos eine OP am offenen Herzen durchführen. Vollkommen ermattet sinke ich auf die Couch. Könnte ich jemanden finden, der mir eine große Tasse Milchkaffee kocht, ich würde ihm zu Füßen liegen. Meine zauberhaften Kinder gesellen sich zu mir. Eins rechts, eins links. "Du, Mama. Die kleine Motte fühlt sich im Glas bestimmt nicht so wohl. Wir lassen sie mal besser wieder raus". Kinder, ich glaub` ich krieg die Motten!
Kommentar schreiben